Skizze zum geplanten Sammelband

�Gehorsam im Religiosentum�

[Sonderforschungsbereich 537, Teilprojekte C �Institutionelle Strukturen religi�ser Orden im Mittelalter� und W �Stadtkultur und Klosterkultur in der mittelalterlichen Lombardei. Institutionelle Wechselwirkung zweier politischer und sozialer Felder�,

Technische Universit�t Dresden, Universit� Cattolica Milano/Brescia]

Herauszugeben von Giancarlo Andenna, S�bastien Barret und Gert Melville.

Gehorsam ist f�r die vita religiosa von fundierender Bedeutung. Als einer der drei evangelischen R�te und zwar als derjenige, von dem es keine Dispens gibt, ist er Bestandteil des Gel�bdes eines jeglichen Religiosen, ist er absolut verbindliches Richtma� des individuellen wie gemeinschaftlichen Handelns. Zu gehorchen bedeutet nicht nur die Erf�llung einer sozialen Tugend, Gehorsam stellt vielmehr f�r den Religiosen einen zentralen spirituellen Wert dar, da es letzthin immer um Gehorsam gegen�ber Gott als Grundhaltung religi�ser Befindlichkeit geht.

Mit Gehorsam ist in der vita religiosa stets ein andere Verhaltensnorm verbunden: Demut � die Tugend, aus der (unter anderem nach Bernhard von Clairvaux) gleich einer Quelle alle anderen Tugenden hervorgehen. Demut ist die komplement�re Kategorie von Gehorsam und dies insofern, als nur ein dem�tiger Mensch zu wahrem Gehorsam bereit ist. Unter wahrem Gehorsam wird verstanden: ein �innerer�, aus Liebe zu Gott und nicht aus Furcht oder Zwang erfolgter Gehorsam.

Mit Gehorsam ist ferner die Kategorie der Macht (und wohl auch der Gewalt) verbunden. Auch diese ist hier zun�chst als eine spirituell verortete zu verstehen. Es ist eine Form der Macht, die stets auf Gott selbst, auf die Macht Gottes, zur�ckzuf�hren ist und die sich von daher als eine auf Menschen nur delegierte definiert. Nur in diesem Bezug auf Gott ist Macht in der vita religiosa legitimiert.

Zwischen Macht und Demut situiert, fokussiert Gehorsam eine f�r religiose Gemeinschaften charakteristische Bipolarit�t von spirituell fundierter �ber- und Unterordnung. Die Stabilit�t einer religiosen Gemeinschaft l��t sich daher gerade daran messen, wie gut die Struktur einer solcherart �ber- und Unterordnung funktioniert � mit anderen Worten: inwieweit Gehorsam praktiziert wird sowohl in Akzeptanz einer von Gott abgeleiteten Macht wie in Akzeptanz von Demut als fundamentaler Tugend.

Eine religiose Gemeinschaft ist faktisch jedoch keine �Insel der Seligen�, sondern auch � wie Chenu sagte � eine �cellule terreste�. Das hei�t, sie ist bis in ihren tiefsten Kern immer auch Einfl�ssen, Anforderungen, Erwartungen und Normierungen der Au�enwelt unterworfen. So ist z. B. eine religi�se Gemeinschaft � sei es ein Einzelkloster oder ein gesamter Orden � eingewoben in institutionalisierte Strukturen der �ber- und Unterordnung wie vor allem jenen der Kirche (der Bisch�fe, des Papstes), aber auch solchen im laikalen Bereich (etwa im Eigenkirchenwesen, im Patronatswesen etc.). Ebenso kann eine religi�se Gemeinschaft sich exogenen Machtinteressen ausgesetzt sehen, die z. B. auf wirtschaftliche Abh�ngigkeit zielen, auf personale Unterwanderung, auf Einflu�nahme bei internen Entscheidungen usw., und deren Akteure gleicherma�en kirchliche W�rdentr�ger waren wie Adelige, St�dte oder gar andere konkurrierende religiose Gemeinschaften. Nicht minder kann eine religiose Gemeinschaft selbst versuchen, Gehorsamsstrukturen in ihrem Umfeld aufzubauen, und somit Macht �ber den sie umgebenden Raum, die sie umgebenden Menschen und Institutionen zu gewinnen.

Hier treffen Gehorsamsstrukturen aufeinander, die entweder nicht von gleicher ethisch/religi�ser Fundierung sind � wie es etwa bei den Begegnungen mit der laikalen Welt oder bei der eigenen Machtausdehnung �ber das Umfeld der Fall sein kann � oder die zumindest nicht mit den Eigeninteressen einer religiosen Gemeinschaft konform laufen m�ssen � wie etwa bei Einwirkungen seitens der hierarchischen Amtskirche.

Wie also funktionieren solche Gehorsamsstrukturen intern in einer religi�sen Gemeinschaften und wie funktioniert eine Begegnung von internen und externen Gehorsamsstrukturen, von denen eine den Absolutheitsanspruch von Gottabgeleitetheit hat, die andere sehr oft aber das bessere Argument faktisch gr��erer St�rke/Gewalt besitzt. Inwiefern beeinflussen sich beide Ebenen? Entsteht ein Normenkonflikt?

Geht man von diesen Grundaspekten aus, so werden also in das Spektrum des geplanten Bandes �ber �Gehorsam im Religiosentum� nur Beitr�ge aufgenommen werden k�nnen, die sich

a)      mit den Strukturen des Gehorsams innerhalb einer religiosen Gemeinschaft (Kloster, Orden) und/oder

b)      mit den Strukturen des Gehorsams religioser Gemeinschaften unter Einflu� von Unterordnungsanspr�chen bzw. -bestrebungen seitens �u�erer M�chte bzw. mit Gehorsamsstrukturen des Umfeldes gegen�ber einer religiosen Gemeinschaft befassen. Dabei ist darauf zu achten, diese beiden Aspekte als nicht isoliert voneinander zu verstehen. Wenn Fallstudien vorgelegt werden, so soll in diesen immer das Exemplarische zu erkennen sein, das auf das Prinzipielle verweist.

 

Hervorzuheben ist, da� Gehorsam sowohl in seiner Dimension als spirituelles Fundament des Religiosentums als auch in seiner Funktionalit�t zu erfassen ist. Demgem�� werden auch Konstruktionen ideeller und praktischer Normen (Leitideen, Objektivationen) und deren Leistung im Aufbau funktionierender sozialer (Sub-)Systeme zu erhellen sein. Es geht um Gehorsam als evangelischer Rat und als Baustein der Institution, als moralische Anforderung und als Element von konkreten Machtsstrukturen. In diesem Zusammenhang sollten sich auch die vergleichenden Ans�tze von Kloster bzw. Orden und Au�enwelt als besonders ergiebig zeigen.

 

Unter systemischem Gesichtspunkt er�ffnen sich folgende grundlegende Aspekte, wobei stets die heuristische und wohl auch bis zu einem gewissen Grade faktische Differenz von religi�ser Gemeinschaft intern und deren Position gegen�ber dem Externen mitzudenken ist.

        Wie wird Gehorsam repr�sentiert/symbolisiert?

        Implizieren Macht und Autorit�t zwangsl�ufig Unterordnung?

 

Eine Ordnung der Beitr�ge innerhalb des Bandes k�nnte man sich dann folgenderma�en vorstellen (wobei auch folgende einf�hrende �berlegungen anzustellen w�ren: Sind strukturelle Vergleiche zwischen Ph�nomenen der Unterordnung in der monastischen bzw. religi�sen Sph�re einerseits und der Unterordnung religioser Gemeinschaften unter andere soziale Gebilde m�glich?).

 

I. Gehorsam / Unterordnung innerhalb von Kloster und Orden

Hier soll untersucht werden, wie man konkret Gehorsam schafft, organisiert und wie man umgekehrt durch Gehorsam organisieren kann (und auch man dagegen reagieren kann).

1)      Gehorsam als Element des religi�sen/regularen Lebens: moralische Anordnungen und funktionale Rolle innerhalb eines Klosters oder innerhalb eines Ordens; Legitimierung von Gehorsam

2)      Ziel und Bedingungen des Gehorsams (non ex metu, sed ex amore) sowie die Methode der Durchsetzung; Erlernung des Gehorsams (Novizentum); Erzwingung des Gehorsams

3)      Hierarchische Verkn�pfungen als Funktionen und Begleiterscheinungen der Existenz eines Verbandes oder Ordens: pers�nliche und institutionelle Subordinationen (was auch �mter und H�user einschlie�t).

4)      Rebellion und Gehorsam: Abschaffen des (bzw. einer bestimmten) Gehorsams oder Entstehung eines anderen? Stellt Rebellion grunds�tzlich Gehorsam in Frage oder ist Ungehorsam in manchen F�llen nur ein �Abfallprodukt� eines Konflikts?

II. Die Gemeinschaft und die Anderen

Hier k�me Gehorsam als Element und (vielleicht sogar an manchen Stellen) Prinzip zur Sprache, das Beziehungen und gegenseitige Anspr�che begleitet bzw. definiert

1)      Gehorsam in den Beziehungen und wechselseitigen Anspr�chen von religi�sen Gemeinschaften und deren Umfeld (z.B. Konflikte mit den geistlichen und s�kularen M�chten wie etwa den st�dtischen oder bisch�flichen, landesherrlichen, dem Papsttum etc.).

2)      Das Eingreifen der Au�enwelt in das Kloster bzw. in den Orden: wie k�nnen interne Strukturen des Gehorsams von Au�en beeinflu�t, erzwungen oder vernichtet werden? (z.B. durch �u�ere Zwangsmittel, durch Unterwanderung eines Konvents mit passenden Personen, durch �bernahme der Leitung [etwa das Ph�nomen der Laien- oder Kommendatar�bte] usw.)

III. Repr�sentationen

Hier kommen Fragen der idealen Objektivationen, der Darstellung und der Sozialisation, der Subjektformierung zur Sprache.

1)      Subordination und Gehorsam als Gegenstand der �idealen Objektivationen� der jeweiligen Institutionen (Texte, Bilder).

2)      Wege der Repr�sentation: das Hierarchische als Element von Text- bzw. Bildproduktionen, die zu anderen Zwecken als der Unterweisung oder der Vermittlung von Wissen usw. dienen soll, dabei vor allem die symbolischen Aspekte von funktionalen (Text-, Bild-)Komplexen.

3)      Die Zeichen der Macht, welche Gehorsam/Unterordnung erwarten lassen.